In den 1960er Jahren ist das Interesse an der Geige im Jazz neu entbrannt. Das Publikum zeigte großes Interesse, aber auch die führenden Jazzmusiker interessierten sich wieder für diesen sonderbaren Vogel im Land des Jazz.
Die Geige gehört mit Sicherheit nicht zu den Kerninstrumenten des Jazz, obwohl sie von den Klangmöglichkeiten einiges bietet, was im Jazz gefragt ist: heller durchdringender Klang, Möglichkeiten im virtuosen Spiel, große Bandbreite an Klangfarben, Möglichkeiten in der Gestaltung von Glissandi (Slides1) etc.
Nun ist aber der Jazz eine stark rhythmisch orientierte Musik, und die Geige gehört nicht gerade zu den perkussiven bzw. perkussiv spielbaren Instrumenten. Es ist vor allem im frühen Jazz Stilmerkmal mit einem fast explosiven Tonansatz zu spielen. So dominieren auch in dieser Zeit die Blasinstrumente.
Zum zweiten ist die Geige im Verhältnis zu den Bläsern ein leises Instrument. Sich mit einer Geige gegenüber einem Bläsersatz ohne Verstärkung solistisch durchzusetzen ist äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.
Als letztes könnte man noch vermuten, dass in den 1920-30er Jahren, in denen ein hoher Prozentsatz unter den Jazzmusikern Autodidakten waren, das Instrument von den technischen Erfordernissen beim Erlernen unpopulär war.
Dieser Blickwinkel, aus musikalischer Sicht, mag schon einige Auskunft geben, doch könnten auch gesellschaftliche Gründe, für das seltene Auftreten der Geige im Jazz vorliegen.
In ihrer Arbeit „Die Rolle der Geige im Jazz” stellt Susanne Gläß einige interessante Thesen in Bezug auf das Image der Geige auf.
Sie betrachtet die Geige als Instrument, welches vor allem die euro-amerikanische Kultur repräsentiert. Eine ihrer Schlußfolgerungen ist, die Geige fehle vor allem in den Jazzstilen, in denen die afro-amerikanische Komponente stark vertreten war, d.h. die Rückbesinnung auf die afrikanischen Wurzeln des Jazz.
So sind unter den bekannten Jazzgeigern auch viele Europäer vertreten. Der bekannteste unter ihnen war sicherlich der vor ein paar Jahren verstorbene Franzose Stéphane Grappelli. Ansonsten haben die meisten Geiger im Jazz meiner Meinung nach nicht die ausreichende Anerkennung gefunden, die ihnen aufgrund ihrer musikalischen Fähigkeiten zugestanden hätte.
Leider, und dieses muß ich gerade für Musikhochschulen formulieren, definiert sich der musikalische und technische Standard eines Geigers immer noch an der klassischen Literatur, nicht etwa an der Fähigkeit zu improvisieren. Dabei zeigen jüngste Beispiele, wie der Geiger Nigel Kennedy, dass sich beide Stile sehr wohl verbinden lassen.2
Auch gibt es in letzter Zeit ein reges Interesse für Streichquartette, die Jazz spielen. Ein Beispiel ist das Turtle Island String Quartett, die bis hin zu Funk-Grooves3, die gesamte Palette des Jazz und der Popularmusik anbieten.
Ich möchte versuchen die Geige auf ihrer Reise durch die verschiedenen Stile des Jazz bis heute zu begleiten. Bei der Recherche stellte sich heraus, dass es tatsächlich unglaublich viele Jazzgeiger gegeben hat, oder noch gibt. So mußte ich mich bei der Vorstellung einzelner Jazzgeiger auf die bekanntesten beschränken.
An das Ende dieser Arbeit habe ich eine ausführliche Discographie gestellt, die für mich das Herzstück darstellt, denn alles in der Literatur über die Spielweise von Jazzgeigern beschriebene, kann nur durch Schallplattenaufnahmen nachgeprüft werden. Außerdem habe ich versucht Schulen bzw. Unterrichtsliteratur zum Thema Jazz auf der Geige und/oder auf Streichinstrumenten vorzustellen.